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Wie erkläre ich einem Vanilla BDSM?

So wie viele Menschen, die BDSM praktizieren, kann ich grundsätzlich auch Sex ohne Machtgefälle einiges abgewinnen. Ich kann große Lust dabei empfinden und eine tiefe Verbindung zu einem Partner spüren. Ich date also auch Männer, die mit BDSM nichts am Hut haben (allerdings nur in nicht-monogamen Konstellationen, die mir Freiraum für BDSM Erlebnisse mit anderen lassen). Früher oder später stellt sich dann immer die Frage, ob ich BDSM thematisieren sollte oder nicht. Erzähle ich von meiner Neigung oder behalte ich das alles lieber für mich? 


Erst einmal spricht natürlich viel dafür, offen mit dem Thema umzugehen und nichts zu verheimlichen. Meine sexuelle Identität ist ein Teil von mir. Sie zu verstecken, verhindert letztlich, dass ich wirklich authentisch ich selbst sein kann. Und trotzdem bin ich sehr vorsichtig damit, einer "fachfremden" Person von meiner BDSM Neigung zu erzählen. In meiner Erfahrung kann es nämlich durchaus riskant sein, mit Vanillas über BDSM zu sprechen.


Risiko 1: Ablehnung 

Die Geschichte, wie ich mit ungefähr 20 versuchte, meinen damaligen Freund davon zu überzeugen Bondage mit mir auszuprobieren, hat in meinem (Kink-affinen) Freundeskreis quasi Kultstatus. Damals hatte 50 Shades of Grey das Thema BDSM gerade etwas näher in Richtung Mainstream gerückt. Ich fand das alles wahnsinnig aufregend (BDSM Erfahrung hatte ich damals noch gar keine). Ich nahm also all meinen Mut zusammen und pitchte meinem Freund eine sehr abgeschwächte Version meiner sexuellen Fantasien. Wir schauten uns auf meine Initiative hin gemeinsam einen Porno an, in dem, wenn ich mich recht erinnere, ein Mann eine Frau ans Bett fesselte und dann Sex mit ihr hatte. Als ich im Anschluss daran erwartungsfroh einen Seidenschal zückte, brach mein damaliger Freund plötzlich in Tränen aus. Der arme Mann war von meinen Ideen (und meiner recht offensiven Art dieselben vorzutragen) dermaßen eingeschüchtert, dass er vor lauter Überforderung nicht einmal zu verstehen versuchte, was ich mir da eigentlich genau wünschte. Ziemlich schnell geriet er in eine komplette Verweigerungshaltung, was ich damals als extrem beschämend empfand. Kurze Zeit später hat er mich dann auch noch verlassen, wobei ich natürlich nicht weiß, ob es da einen direkten Zusammenhang gab. Die Angst, mit meinen sexuellen Bedürfnissen abgelehnt zu werden, begleitet mich trotzdem bis heute. Mittlerweile versuche ich, meine BDSM bezogenen Bedürfnisse mit BDSM affinen Partnern zu stillen und alle anderen Männer mit dem Thema weitestgehend in Ruhe zu lassen. Niemand sollte sich gedrängt fühlen, unfreiwillig die eigene Komfortzone zu verlassen, um die sexuellen Fantasien einer Partnerperson umzusetzen. 


Risiko 2: Unverständnis 

Seit dem Seidenschal-Vorfall vor mittlerweile 13 Jahren bin ich zum Glück sehr viel besser darin geworden, meine sexuellen Wünsche so zu äußern, dass keine Männertränen fließen müssen. Trotzdem finde ich es oft unangenehm bis frustrierend, mich zu erklären, wenn die andere Person keine Berührungspunkte mit BDSM hat. Schnell komme ich dann in einen Rechtfertigungsmodus. Ich weiß doch selbst nicht, warum ich so ticke, wie ich eben ticke. Ich kann auch nicht erklären, warum ich heterosexuell bin oder warum ich den Geschmack von Brokkoli mag. Besonders nervig finde ich es, wenn mein Gesprächspartner das Ganze zu pathologisieren versucht (bestes Beispiel: die Therapeutin, die mir ein Kindheitstrauma andichten wollte, um damit meine masochistische Neigung zu erklären). Genauso wenig wie ich sinnvoll erklären kann, wie Salz schmeckt ("salzig") oder wie die Farbe blau aussieht ("blau"), kann ich definieren, was das Gefühl, in einem sexuellen Kontext auf der submissiven Seite eines Machtgefälles zu stehen, im Kern für mich ausmacht. Es ist eine elementare Empfindung, die ich im Grunde nicht näher beschreiben kann. Ich kann ausdrücken, was das submissive Erleben mit mir macht, also zum Beispiel, dass es mich erregt oder dass es mir erlaubt, mich fallen zu lassen. Aber nicht, welchen anderen Empfindungen es ähnelt oder warum es sich so anfühlt wie es sich eben anfühlt. Ich finde es durchaus spannend, darüber nachzudenken, was meine Kinks im einzelnen ausmacht und welchen Ursprung sie vielleicht haben, welche Bedürfnisse dahinter stecken, und so weiter. Aber das Diskutieren mit jemandem, der mein submissives Erleben im Kern nicht nachvollziehen kann (oder will), wird einfach schnell witzlos. Die gemeinsame Basis fehlt, das gemeinsame Verständnis davon, dass Salz salzig schmeckt. Dazu kommt, dass es leicht kippen kann in ein "Erklär mir warum du so anders bist". Ich finde es grundsätzlich schön, wenn jemand Interesse an mir und meinen sexuellen Empfindungen zeigt, habe aber keine Freude daran, mich wie eine Art perverser Erklärbär zu fühlen.


Risiko 3: Aktionismus

Von den drei Szenarien, die ich hier beschreibe, ist dieses mit Abstand das mit dem größten Cringe Potenzial: Der durch und durch harmlose Vanilla Mann, der aus einem Service Gedanken heraus versucht, beim Sex dominant zu sein. Noch immer läuft es mir kalt den Rücken herunter, wenn ich an den Typen zurückdenke, der sich im verzweifelten Versuch, eine dominante Rolle einzunehmen, einen niedlichen kleinen Flogger zulegte, mit dem er dann mehr oder weniger wahllos um sich schlug, während wir Sex hatten. Ich will nicht behaupten, dass man die dominante Rolle im BDSM Kontext nicht erlernen kann - Bestimmt geht das, wenn man gut recherchiert und sich große Mühe gibt. Aber wozu das Ganze? Ich möchte meine Neigung doch viel lieber mit Partnern ausleben, die intrinsisch motiviert sind, weil sie genauso Lust auf BDSM haben wie ich. Natürlich kann man sich in einer Partnerschaft gegenseitig sexuelle Wünsche erfüllen, die sich vielleicht nicht immer zu 100% mit den eigenen decken. Ich mag es zum Beispiel, wenn ein Partner mir in die Haare greift, mein Gesicht fest in seine Hände nimmt oder mir sagt, wie ich ihn berühren soll. Um das umzusetzen, muss der andere keine dominante Neigung haben. Er kann es auch einfach für mich tun, weil es mich erregt. Was ich aber wirklich abturnend finde, ist unauthentisches Dominanzgehabe. 


Um die Titelfrage - Wie erkläre ich einem Vanilla BDSM? - also abschließend zu beantworten: im Zweifelsfall gar nicht. Ich darf in jeder Beziehung, egal ob freundschaftlich oder romantisch, neu entscheiden, was ich von mir preisgeben möchte. Meine BDSM Neigung ist ein Teil von mir, aber sie macht mich auch sehr verletzlich und angreifbar. Daher ist es eine valide Entscheidung, die Details für mich zu behalten. Wenn ich mich dann doch öffne, ist es ein umso größerer Vertrauensbeweis. 

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