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Was ist eigentlich eine Spielbeziehung?



In BDSM Foren und Blogs liest man häufig von Spielbeziehungen oder play partners. Die Meinungen darüber, was eine solche Beziehung ausmacht, gehen allerdings sehr weit auseinander. Auch mein eigenes Verständnis und meine Erwartungen an diese besondere Beziehungsform haben sich im vergangenen Jahr stark verändert.


Nachdem ich meine BDSM Neigung jahrelang unterdrückt hatte, war ich Anfang letzten Jahres an einem Punkt, an dem ich merkte, dass es so nicht mehr weiter gehen würde. Ich überlegte also, welche Optionen mir blieben, nachdem Plan A (stillschweigend leiden und hoffen, dass meine Libido einfach irgendwann stirbt) nicht aufgegangen war. The Ethical Slut war damals das erste Buch, das ich über die Kink Community und offene Beziehungen gelesen habe. Darin berichten die Autorinnen unter anderem auch über ihre eigene Beziehung, die es ihnen ermöglicht gemeinsam ihre Kinks auszuleben und gleichzeitig weitere verbindliche Partnerschaften einzugehen [1]. Das klang für mich wie das Beste aus zwei Welten: Die Sicherheit einer Paarbeziehung auf der einen, das Abenteuer BDSM auf der anderen Seite. Vielleicht könnte ich ja doch alles haben, was ich mir wünschte, und zwar ohne mich trennen zu müssen?


Nachdem ich einige Ideen verworfen hatte (unter anderem: für Sex bezahlen, mich trennen und einen neuen festen Partner suchen, eine Sexparty besuchen), entschied ich mich für die wahrscheinlich am wenigsten originelle Variante: eine Affäre. Genauer gesagt beschloss ich, mir eine Spielbeziehung, also eine Art BDSM spezifische Affäre, zu suchen, in der ich meine Neigung ausleben könnte. Die Idee war also, die Nähe, Sicherheit und emotionale Verbundenheit meiner Ehe nicht zu gefährden, und trotzdem einen Weg zu finden, meine sexuellen Fantasien mit einem dominanten Spielpartner auszuleben. Gefühle hatten in meiner Vorstellung in dieser Spielbeziehung keinen Platz. Der ideale Spielpartner wäre jemand, der genauso fest verpartnert und emotional nicht verfügbar wäre wie ich. Man würde sich alle ein, zwei Wochen für heißen kinky Sex treffen und sich ansonsten in Ruhe lassen. Mein Leben würde weiter laufen wie bisher, nur eben mit BDSM statt ohne. So weit die Theorie.


Play partners oder SpielpartnerInnen in der Kink Community sind vielleicht am ehesten vergleichbar mit dem, was man in der Vanilla Welt als friends with benefits oder Freundschaft+ bezeichnen würde. Eine Art von Beziehung also, in der es eine sexuelle Ebene gibt und die auf (freundschaftlicher) Wertschätzung aufbaut. In einer Spielbeziehung kommt natürlich noch der BDSM Aspekt hinzu: Die gemeinsamen Kinks und die Dynamik des Machtgefälles der SpielpartnerInnen bestimmen den Rahmen der Beziehung. Für eine Freundschaft+ gibt es keine eindeutigen gesellschaftlich anerkannten Regeln, und mir kommt es oft so vor, als würde jeder ein bisschen etwas anderes darunter verstehen. Klar ist, dass sich diese Art von Beziehung wesentlich von der Art monogamer Paarbeziehung unterscheidet, die in unserer Gesellschaft als "normal" angesehen wird:

  • Meist ist diese Art von Beziehung nicht monogam, es wird also weder emotionale noch sexuelle Exklusivität vorausgesetzt.

  • Sie folgt nicht dem Prinzip des relationship escalator [2], also dem "klassischen" Pfad einer Paarbeziehung: Kennenlernen, Verlieben, Zusammenziehen, Eltern vorstellen, Heiraten, Familie gründen.

  • Sie wird häufig als weniger verbindlich als eine Paarbeziehung wahrgenommen. Oft wird der Beziehung auch (zumindest implizit) eine emotionale Tiefe abgesprochen. Wenn sich also zum Beispiel einer oder beide PartnerInnen verlieben, wird das friends with benefits Arrangement häufig als gescheitert angesehen.

Spielbeziehungen können ganz unterschiedlich aussehen. Sie können sehr unverbindlich oder auch sehr eng sein, zeitlich begrenzt oder unbegrenzt, eine feste Rollenverteilung (z.B. Dom/Sub) haben oder nicht. Ein paar Beispiele, die mir persönlich begegnet sind:

  • Ein Spielpartner und ich treffen uns in unregelmäßigen Abständen um gemeinsam eine ganz bestimmte Play Party Reihe zu besuchen. Unser Kontakt beschränkt sich hauptsächlich auf diese Parties.

  • Ein Spielpartner und ich treffen uns regelmäßig, ca. alle zwei Wochen, für eine BDSM Session. Diese Sessions bilden den Rahmen der Spielbeziehung und darüber hinaus haben wir losen, freundschaftlichen Kontakt.

  • Ein Spielpartner, der in einer anderen Stadt lebt, meldet sich wenn er hin und wieder beruflich in Berlin ist. Wir verbringen dann oft ein paar Tage zusammen. Wir gehen zum Beispiel in Kunstausstellungen, Restaurants oder ins Kino. Spiel und Nicht-Spiel gehen oft fließend ineinander über, wir haben keine klar begrenzten Sessions.

Auch wenn Jessica Fern in ihrem Buch polysecure nicht spezifisch auf Spielbeziehungen eingeht, finde ich ihre Einordnung (siehe Grafik) der verschiedenen Arten nicht-monogamer Beziehungsformen hilfreich, um zu verstehen, was den Rahmen einer solchen Beziehung ausmacht. Die Spielbeziehungen, die mir bisher begegnet sind, waren häufig dadurch beeinflusst, dass mindestens eine/r der PartnerInnen eine feste Paarbeziehung führte und (implizit oder explizit) eine Hierarchisierung der Beziehungen vorausgesetzt wurde. So ist es mir zum Beispiel schon oft begegnet, dass der/die PrimärpartnerIn bestimmte Rechte hat, die der/die SpielpartnerIn nicht hat, etwa ein Veto-Recht was die weiteren Beziehungen außerhalb der Kernbeziehung betrifft. Die Spielbeziehung hingegen dient vorrangig einem ganz bestimmten Zweck (dem Ausleben von BDSM) und hat damit auch einen festen Rahmen (zum Beispiel die Begrenzung auf Sessions). Das Konzept einer Spielbeziehung als Ergänzung zu einer Primärbeziehung würde ich in Ferns Kategorisierung nicht-monogamer Beziehungen [3] am ehesten im unteren linken Quadranten verorten: Die Primärbeziehung ist bestimmt durch geringe sexuelle Exklusivität und hohe emotionale Exklusivität. Das bedeutet für die Spielbeziehung, dass der Fokus auf der sexuellen Ebene der Beziehung liegt und (wenn überhaupt) nur ein sehr begrenzter Raum für emotionale Verbindung, Tiefe und Verbindlichkeit besteht.



Für mich persönlich ist die Idee einer Spielbeziehung "ohne Gefühle" (whatever that means) als Ergänzung zu einer Primärbeziehung nicht aufgegangen. Ich habe sehr schnell gemerkt, dass die Gefühle, die ich im BDSM erlebe, sehr intensiv sind und eine besondere Verbindung zwischen mir und meinen Spielpartnern schaffen. Insbesondere wenn D/S Dynamiken zum Spiel gehören, brauche ich eine emotionale Ebene in der Beziehung zu meinem dominanten Partner, um mich wirklich fallen lassen zu können. Die Session mag ein Spiel sein, aber die Gefühle sind echt. Eine Spielbeziehung, in der für echte Gefühle und echte Verbindung kein Platz ist, kommt für mich heute nicht mehr infrage. Das bedeutet nicht, dass Spielbeziehungen für mich grundsätzlich nicht funktionieren. Ich frage aber sehr genau nach, was ein potentieller Partner unter einer solchen Beziehung versteht, um dann entscheiden zu können, ob ich mich darauf einlassen möchte oder nicht. Einige red flags für mich ganz persönlich sind zum Beispiel:

  • Die Spielbeziehung muss geheim gehalten werden. Andere PartnerInnen dürfen davon nicht erfahren, z.B. weil es in der Kernbeziehung ein "Don't ask, don't tell" Arrangement gibt oder weil jemand fremdgeht.

  • Eine dritte Person hat ein Veto-Recht oder darf sonstige Entscheidungen treffen, die unsere Beziehung betreffen.

  • Zwischen den Sessions darf es keinen Kontakt geben.

  • Ich soll den echten Namen der Person nicht erfahren und nichts aus ihrem Leben und Alltag wissen.

  • Es gibt eine zeitliche oder sonstige Begrenzung (z.B.: "Wenn sich einer von uns verliebt, müssen wir die Spielbeziehung beenden").

In meiner Erfahrung sind diese Faktoren mindestens genauso wichtig wie die kink-bezogenen Rahmenbedingungen, die zu Beginn der Beziehung ausgehandelt werden (welche Praktiken sind erlaubt, wer ist Top, wer Bottom, teilen wir bestimmte Fetische, etc), kommen aber meistens viel zu kurz. Es ist ja auch kein einfaches Thema. Ganz schnell ist man bei sehr grundsätzlichen Fragen, welche die meisten von uns sich noch nie wirklich ausführlich gestellt haben: Was macht eigentlich eine Beziehung aus? Kann ich in mehr als eine Person gleichzeitig verliebt sein? Wie sieht eine Beziehung aus, die nicht dem Schema Kennenlernen-Zusammenziehen-Zweisamkeit folgt? Wie kann ich frei sein und mich trotzdem sicher und geborgen fühlen?


Ich selbst habe noch keine Antworten auf diese Fragen. Ich genieße einerseits die Freiheit und die Vielfalt an verschiedenen Erfahrungen, die offene Beziehungsformen wie Spielbeziehungen mir bieten. Oft hadere ich aber auch mit dem Fehlen von sozialen Normen und klaren Definitionen, fühle mich verloren und unsicher. Manchmal fehlt mir das Skript, das wir für monogame Paarbeziehungen haben. Dieses feste Regelwerk, das wir alle verinnerlicht haben, und das uns einerseits einengt, andererseits aber auch Orientierung bietet und Sicherheit schafft. Zum Abschluss möchte ich daher die Beziehungs-Axiome aus More Than Two [2] zitieren, die ich als Leitstern für den Umgang mit SpielpartnerInnen sehr hilfreich finde:

1. The people in the relationship are more important than the relationship.

2. Don’t treat people as things.




[1] Hardy, Easton. The Ethical Slut. Updated Third Edition. Ten Speed Press, 2017.

[2] Veaux, F., Rickert, E. More Than Two. A Practical Guide to Ethical Polyamory. Thorntree Press, 2014.

[3] Fern, J. Polysecure. Attachment, Trauma and Consensual Nonmonogamy. Thorntree Press, 2020, p. 110.

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