In Beziehungen bin meist ich diejenige, die Wochenendausflüge und Urlaube plant, Einkaufslisten im Blick und wichtige Termine im Kopf hat. Ich organisiere, erinnere, treffe Absprachen und sorge dafür, dass es zuhause aufgeräumt und gemütlich ist. Wie die meisten Frauen in heterosexuellen Partnerschaften übernehme ich also mehr oder weniger ungefragt einen Großteil der Mental Load. Weil ich es so gelernt habe und weil es eben meist auch sonst keiner tut. Dieses Projektmanagement ist in der Arbeitswelt ein gut bezahlter Vollzeitjob, in Beziehungen hingegen fällt es meist in die Kategorie unsichtbare Elfenarbeit [1]. Dass sie - ebenso wie Care-Arbeit und Haushaltstätigkeiten - größtenteils von Frauen verrichtet wird, führt unter anderem dazu, dass diese signifikant weniger Freizeit zur Verfügung haben als Männer, häufiger unter Erschöpfung leiden und sich seltener ausreichend erholen können. [2] So weit, so frustrierend. Aber was hat das Ganze jetzt mit D/S zu tun?
In einer D/S Beziehung übernimmt der dominante Part die Führung in den Lebensbereichen, in denen ein Machtgefälle vereinbart ist. Und wer die Führung übernimmt, trägt automatisch auch einen großen Teil der Mental Load. Für mich als Sub heißt das, dass ich Verantwortung abgeben und mich fallen lassen darf. Gerade im Kontrast zu meinem Alltag als alleinerziehende Mutter, in dem ich täglich an hunderttausend kleine und große Dinge denken muss, ist das eine wahnsinnig befreiende Erfahrung. Es setzt ungeahnte Energien frei, schafft eine besondere Leichtigkeit und Verspieltheit, versetzt mich in einen Zustand tiefer Entspannung. Und es schafft Raum für intensive Gefühle, die in meinem Leben sonst keinen Platz haben. Meine Rolle als Sub ist dabei alles andere als passiv; ich äußere Wünsche, mache Vorschläge und ergreife die Initiative wenn ich Lust habe. Aber das letzte Wort und die Entscheidungsgewalt liegen am Ende eben doch immer bei meinem Dom. Der D/S Aspekt unserer Beziehung liegt ganz klar im Verantwortungsbereich meines Partners: Er bestimmt, was wir wie, wann und wo spielen, er macht sich Gedanken, plant unsere Sessions, besorgt Spielzeug, kümmert sich um das Setting und die Vor- und Nachbereitung. Er stellt Regeln für unsere Beziehung auf und kontrolliert deren Einhaltung, er erteilt Anweisungen und Strafen und wenn mal etwas schiefgeht, übernimmt er die Verantwortung dafür. Als Sub gebe ich die Führung an meinen Partner ab und damit auch die Mental Load.
Eine D/S Dynamik berührt das Thema Mental Load aber noch in einem weiteren Punkt: Sie kann unsichtbare Arbeit sichtbar machen. Wenn Tätigkeiten vom dominanten Part explizit gefordert werden, etwa in Form von Regeln oder Aufgaben, wird ihnen damit automatisch Beachtung geschenkt. Im BDSM KlassikerThe Ethical Slut wird dieser Effekt anhand eines eindrücklichen Beispiels erzählt: Eine Frau in einer traditionellen Hausfrauenehe nutzt ihre ohnehin knapp bemessene Freizeit, um zusätzlich zu ihrem eigenen auch noch den Haushalt ihres Doms zu schmeißen. Dabei findet sie in den Tätigkeiten, die ihr in ihrem Alltag als Hausfrau und Mutter wenig Freude bereiten, eine tiefe Befriedigung. Küche putzen und Wäsche falten sind dann nämlich nicht wie zuhause unsichtbare Elfenarbeit, für die sich nie irgendwer bedankt, sondern Teil eines expliziten Vertrags und Ausdruck des einvernehmlichen Machtgefälles ihrer D/S Beziehung. Die Hausarbeit mit Hingabe und zur Zufriedenheit ihres Doms zu erledigen, ist für sie als Sub auf eine ganz besondere Art und Weise erfüllend. [3]
In meiner D/S Beziehung sind es bisher vor allem Regeln in Bezug auf Körperpflege oder Dresscode, in denen sich dieser Effekt bemerkbar macht. Ich genieße es zum Beispiel, wenn mein Partner mir vorgibt was ich anziehen und wie ich mich schminken soll. Zum einen nimmt er mir damit bestimmte Entscheidungen und den damit einhergehenden Mental Load ab. Er würdigt mit einem solchen Regelwerk aber automatisch auch den Aufwand, den ich betreibe um mich für ihn herzurichten und schenkt mir in besonderer Weise Aufmerksamkeit. Auch in Vanilla Beziehungen mache ich mir Gedanken über mein Aussehen und gebe mir Mühe, gepflegt und attraktiv auszusehen. Diese Leistung wird allerdings nur selten bewusst anerkannt und noch seltener explizit wertgeschätzt. Im Kontext einer D/S Beziehung können selbst Kleinigkeiten wie das Auftragen von Nagellack oder die Intimrasur subtile Gesten der Unterwerfung sein, die für die Beziehung eine besondere Bedeutung haben. Die Wertschätzung dieser Gesten erfolgt in einer D/S Dynamik typischerweise auch über Strafen, etwa Strafen für die Nichtbeachtung von Regeln. Für mich ist es ein schönes Gefühl zu spüren, dass mein Partner die Regeln, die er für unsere Beziehung aufstellt, im Blick hat und sie im Zweifelsfall auch durchsetzt. Es untermauert unser Machtgefälle und bekräftigt, dass er derjenige ist, der die Verantwortung für unsere D/S Beziehung trägt.
Die Mental Load Frage ist Teil einer komplexen feministischen Debatte, die natürlich erst einmal gar nichts mit BDSM zu tun hat. Wie so oft bietet sich BDSM jedoch als eine Art Labor an, in dem gesellschaftliche Phänomene und Dynamiken aus ganz neuen Blickwinkeln betrachtet und erlebt werden können. Eine D/S Dynamik in einer MaleDom/FemSub Konstellation treibt das in unserer Gesellschaft real vorherrschende Machtgefälle zwischen Männern und Frauen auf die Spitze, und macht es damit auf eine besondere Art und Weise sichtbar und erlebbar. Für mich bietet BDSM neben der Erfüllung sexueller Bedürfnisse immer auch einen Raum für Selbsterfahrung. Zum Beispiel eben einen Raum, in dem ich herausfinden darf, wie sich eine Welt anfühlt, in der ich zur Abwechslung mal nicht die Mental Load tragen muss.
[1] Cammarata, P. Raus aus der Mental Load Falle. Beltz, 2020.
[2] Bücker, T. Alle_Zeit. Ullstein, 2022.
[3] Hardy, Easton. The Ethical Slut. Updated Third Edition. Ten Speed Press, 2017.
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