Eine richtig gute Session hat für mich meist eine Dimension, die über das Erleben sexueller Lust hinausgeht. Das Spielen ist für mich dann auch eine Form der Bewusstseinserweiterung. Die Möglichkeit, intensive Gefühle zu erleben, die in meinem Alltag keinen Platz haben. Die ich "im echten Leben" sogar aktiv vermeide - Scham oder Angst zum Beispiel. Und, im besten Fall, das Erreichen eines Zustands, für den es im Deutschen leider noch kein treffendes Wort gibt: den Subspace. Für mich ist das ein Zustand, in dem ich komplett loslassen kann, wie im Rausch bin, jedes Zeitgefühl verliere. Manchmal auch nicht mehr weiß wo ich bin, oder sogar wer ich bin. Oft verliere ich auch die Fähigkeit in vollständigen Sätzen zu sprechen, selbst wenn mir eine einfache Frage gestellt wird (ich nenne das meine Subspace Sprachblockade). Der Subspace ist für mich ein Zustand, in dem es keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt, sondern nur den Moment und die Empfindungen und Gefühle, die ich in diesem Moment spüre. Das einzige, was mich im Subspace noch im hier und jetzt ankert, ist die Verbindung zu meinem Partner. Diese tiefe, innige Verbundenheit und das Vertrauen, dass er genau weiß, was gut für mich ist und was wir beide gerade brauchen. Es fühlt sich dann oft so an, als wären wir die einzigen Menschen auf der ganzen Welt.
Ist der Subspace ein hypnotischer Zustand?
Grundsätzlich ist der hypnotische Zustand, genau wie der Zustand kurz vor dem Einschlafen, wenn man sozusagen zwischen Wachen und Schlafen schwebt, durchaus mit dem Subspace vergleichbar. Eine Art Trance, die oft mit einem out-of-body Erleben einhergeht. Für mich hat der Subspace aber eine ganz andere Intensität. Vielleicht hängt das mit den körperlichen Stimuli zusammen, die in einer BDSM Session ja oft dazugehören, oder mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins und des Kontrollverlustes. Ein Flug im Subspace ist für mich jedenfalls um ein Vielfaches intensiver als eine Meditation und der darauf folgende Entspannungszustand sehr tief.
Was bringt mich in den Subspace?
So wie jeder andere Bewusstseinszustand auch, ist der Subspace ein individuell erlebter Zustand, der auf viele unterschiedliche Arten herbeigeführt werden kann. Für manche ist es vielleicht kunstvolles Gefesseltwerden, das sie zuverlässig in den Subspace befördert, bei anderen reicht eine kurze Anweisung sich hinzuknien, wieder andere brauchen intensive Schmerzen. Für mich ist es oft tagesformabhängig, wie schnell und tief ich in meinen Subspace abtauchen kann. Auch die Beziehung zu meinem dominanten Partner spielt eine wichtige Rolle. Ein Partner, mit dem mich eine sehr intensive D/S Beziehung verbindet, schafft es manchmal nur mit einem sanften Griff an meine Kehle oder mit ein paar in mein Ohr geflüsterten Worten mich ins Nirvana zu schicken.
Was also sind meine ganz persönlichen Wege in meinen Subspace? Die folgende Liste umfasst einige Praktiken, Spielarten und Kinks, die für mich funktionieren. Sie ist nicht fix oder vollständig - je mehr verschiedene Dinge ich ausprobiere, desto vielfältiger werden auch meine Wege in den Subspace. Alles, was ich hier aufliste, setzt natürlich Konsens voraus.
Schmerzen - Impact Play und Pain Play funktionieren für mich fast immer, und können mich in relativ kurzer Zeit zuverlässig in den Subspace befördern. Natürlich ist es eine besondere Art von Schmerzen, die im Rahmen einer Session zugefügt werden und auch die Intensität sowie das Setting insgesamt müssen stimmen. Es ist mir jedenfalls noch nie passiert, dass ich mir im Alltag den Zeh angestoßen habe und auf einmal nicht mehr wusste wo ich bin oder wie ich heiße. Aber im Rahmen einer Session funktionieren Schmerzen für mich sehr gut. Sicher hängt es auch mit der bewussten tiefen Atmung zusammen, die ich intuitiv einsetze um den Schmerz besser auszuhalten und mit den Hormonen, die vom Körper als Antwort auf den Schmerz bei SM Praktiken ausgeschüttet werden (dazu gibt es sogar Forschung). Nicht umsonst werden Schmerzen ja auch bei einigen religiösen oder spirituellen Ritualen eingesetzt, um einen anderen Bewusstseinszustand herbeizuführen.
Erniedrigung - Das Gefühl erniedrigt zu werden, ist für mich ein sehr intensives. Es hat viel mit Scham zu tun und manifestiert das Machtgefälle auf eine sehr eindeutige Art und Weise. Erniedrigung hat viele Facetten und die Grenzen zwischen Erregung und Verletzung sind sehr individuell. Von einem dominanten Partner "Schlampe" genannt zu werden kann mich zum Beispiel sehr erregen. "Hässliche Schlampe" dagegen würde mich sehr verletzen. Erniedrigung kann mich sehr tief in den Subspace bringen, weil es mir auf besonders intensive Art und Weise erlaubt, mich unterzuordnen und so ganz loszulassen. Das Spielen mit Erniedrigung ist aber auch riskant. Das einzige Mal, das ich bisher einen richtig schlimmen Subdrop erlebt habe, war nach einer Session, die sehr auf Erniedrigung fokussiert war, und bei der ich im Anschluss nicht die Aftercare bekommen habe, die ich gebraucht hätte.
Fixierung - Bondage und andere Formen von Fixierung führen mich in einen Zustand der Hilflosigkeit. Ich fühle mich ausgeliefert und wehrlos und plötzlich fällt es mir leicht, einfach loszulassen. Besonders intensiv empfinde ich Bondage in Verbindung mit sensory deprivation, zum Beispiel durch das Anlegen einer Augenbinde.
Breath Play - Das Spielen mit Atemreduktion, z.B. Würgen, Mund und/oder Nase zuhalten, ein nasses Tuch auf das Gesicht oder den Kopf unter Wasser drücken, erfordert viel Vertrauen. Als Bottom lege ich hier die Macht über meine grundlegendste Körperfunktion - meine Atmung - in die Hände des Tops. Dieses intensive Gefühl der Unterwerfung, kombiniert mit Angst, Panik und einem Adrenalin-Kick ist sehr intensiv.
CNC - Consensual Non-Consent Spiele, also zum Beispiel Überwältigungsszenarien lassen mich sehr sehr tief abtauchen. Hier kommen viele Stimuli zusammen. Die Kombination aus körperlichem Kampf, vielleicht auch Schmerzen, Atemreduktion und Fixierung und dem Gefühl des Ausgeliefertseins sowie der Erniedrigung durch das "unfreiwillig" Unterworfenwerden ist sehr intensiv.
Willkommen zurück auf der Erde
Die Rückkehr aus dem Subspace in die "reale Welt" ist für mich am schönsten wenn sie von meinem Partner durch intensiven Körperkontakt - zum Beispiel Streicheln, Massieren, Halten, Küssen - begleitet wird. Auch kleine Gesten wie Zudecken oder ein Getränk anbieten helfen mir dabei, wieder anzukommen. In dieser Übergangsphase ist es für mich persönlich auch ganz wichtig, Wertschätzung, Zuneigung und Respekt zu erfahren. Dass der Mensch, der mich vielleicht gerade noch gequält, beschimpft oder sonstwie erniedrigt hat, zärtlich und liebevoll zu mir ist, mich fragt wie es mir geht und für mich sorgt. Mir vielleicht Komplimente macht oder mir sagt, wie wichtig ich ihm bin. Manchmal habe ich auch das Bedürfnis, das Erlebte sofort zu besprechen. Aftercare geht für mich übrigens nicht zwingend mit einer Aufhebung des Machtgefälles einher, insbesondere wenn es eine starke D/S Dynamik gibt. Je nachdem wie die Beziehung zwischen mir und meinem dominanten Partner beschaffen ist, bleibt das Machtgefälle auch noch über die Session hinaus bestehen und äußert sich dann zum Beispiel in fürsorglichen Gesten oder Loben. Früher dachte ich, dass es essentiell wichtig sei, direkt nach der Session die Augenhöhe zwischen mir und meinem Partner wieder herzustellen. Meine Gedanken dazu waren in etwa: Die Session ist ein Spiel, und wenn das Spiel endet, muss auch das Machtgefälle sofort aufgehoben werden. Das sehe ich heute anders, vielleicht auch, weil ich meine sexuell-submissive Seite nicht mehr so sehr als Schwäche empfinde und sie daher nicht mehr so explizit von meiner Alltagspersönlichkeit trennen muss. Wenn ich mich zum Beispiel im Anschluss an eine intensive Session an meinen Partner ankuschle und mich ganz klein mache, er mir sanft über den Kopf streicht und mir dabei zuflüstert 'Ich bin stolz auf dich', dann befinden wir uns nicht auf Augenhöhe. Und trotzdem, oder wahrscheinlich genau deswegen, gibt er mir damit genau das was ich in dem Moment brauche.
Kleiner Exkurs
Das einzige andere Erlebnis in meinem Leben, das mich in einen dem Subspace ähnlichen Zustand versetzt hat, war übrigens die Geburt meines Kindes. Unter Geburt war ich wie im Tunnel, losgelöst von Zeit und Raum, fühlte mich einerseits wehrlos und ausgeliefert und verletzlich, andererseits sicher und voller Vertrauen und Kraft. Trotz intensiver körperlicher Empfindungen und Schmerzen konnte ich damals einfach loslassen und mich fallen lassen. Und der von Hebamme Ina May Gaskin geprägte Begriff der "golden hour" hat für mich durchaus Parallelen zu einer richtig guten Aftercare Session. Ina May beschreibt die erste Stunde mit dem neuen Menschenwesen als eine ganz besonders intensive Erfahrung von Bindung. In dieser Stunde scheint es, als sei die Zeit stehen geblieben, als würden keine Schmerzen mehr existieren und die ganze Welt nur aus Liebe bestehen.
コメント