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Babygirl Review

  • Writer: OneBigYes
    OneBigYes
  • Feb 26
  • 5 min read

Es ist Winter in Berlin, draußen ist es kalt und nass und auf meinem Sofa umso gemütlicher, und so "arbeite" ich mich seit ein paar Wochen durch die Klassiker des BDSM Films: Belle de Jour, Die Geschichte der O, Eyes Wide Shut. Da darf natürlich Babygirl nicht fehlen, der aktuell noch in den Kinos läuft.


Babygirl ist ein erotischer Thriller von Halina Reijn. Nicole Kidman spielt Romy Mathis, eine extrem erfolgreiche Karrierefrau, Ehefrau und Mutter in Manhattan. Sie ist CEO ihres eigenen Unternehmens, das irgendwas mit Robotern zu tun hat. Auf den ersten Blick hat sie alles: Macht, Geld, ein riesiges Penthouse, heiße Outfits und Botox in rauen Mengen, eine intakte Familie und eine scheinbar perfekte Ehe mit Jacob, mit dem sie langweiligen, aber immerhin sehr regelmäßigen Vanillasex hat. Doch irgendetwas fehlt ihr (I feel you Romy!). Gleich zu Beginn des Films dürfen wir beobachten wie sie heimlich Daddy Pornos schaut und dabei masturbiert. Dann trifft sie auf Samuel, einen deutlich jüngeren Praktikanten in ihrem Unternehmen, und die beiden beginnen eine D/S Affäre. Grob umrissen funktioniert ihre D/S Dynamik so: Samuel ist einfühlsamer Service Top, der Romys Bedürfnisse erkennt und erfüllt, ohne dass sie diese selbst benennen muss. Als Mitglied der Gen Z hat er ein recht offenes und unbefangenes Verhältnis zu Sexualität und findet BDSM weder besonders skandalös noch moralisch fragwürdig. Romy hat seit ihrer Kindheit submissive Fantasien und kann in ihrer Beziehung zu Samuel endlich ihre jahrzehntelang unterdrückte devote Neigung ausleben. Für eine New Yorker Mittfünfzigerin ist sie allerdings erstaunlich prüde und sexuell unerfahren. Sie hadert sehr mit dem Gefühl, in ihrer Sexualität nicht "normal" zu sein. Samuel und Romy scheinen beide absolute BDSM Beginners zu sein und stürzen sich dennoch mit großem Eifer in ihr erstes D/S Abenteuer.


Was mir gefallen hat


  • Babygirl fängt die Komplexität von Consent auf eine vielschichtige Weise ein. Der Film zeigt, dass Consent nicht immer eine einfache Frage von „Ja“ oder „Nein“ ist, sondern oft von Machtverhältnissen, emotionaler Manipulation und unausgesprochenen Erwartungen geprägt wird. Als Romy zu Beginn ihrer Beziehung kalte Füße kriegt und die gerade beginnende Affäre schon wieder beenden will, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat, konstruiert Samuel für sie eine Art CNC Szenario, indem er sie (scheinbar) erpresst: Wenn sie nicht mitspielt und sich ihm unterwirft, geht er zur Personalabteilung und petzt. Er nutzt Romys Verlangen, ihre Sehnsucht und auch ihre Unsicherheiten aus und schafft eine Situation, in der sie nicht mehr wirklich „Nein“ sagen kann – oder sich zumindest so fühlt, als hätte sie keine Wahl. So spielt der Film mit den Grauzonen von Consent und macht dabei interessante Fragen auf. Denn die devote Romy erlebt den Kontrollverlust durch Erpressung und Unterwerfung natürlich zunächst als extremen Kick und Turn-on. Allerdings nur, bis Samuel anfängt, eine andere Grenze zu überschreiten und gegen ihren Willen in ihr Familienleben eindringt, unter anderem als ungebetener Gast bei der Geburtstagsparty ihrer Tochter. Der Film dekonstruiert damit sehr gekonnt die Vorstellung von Consent als "Ja oder Nein" Entscheidung.


  • Der Film fängt auf eindrucksvolle Weise die unbeholfene Dynamik ein, die entstehen kann, wenn sich zwei Menschen auf eine Power Exchange Dynamik einlassen. Der Beginn von Samuels und Romys Spiel ist chaotisch, voller Unsicherheit und Missverständnisse und vieler großer und kleiner cringe Momente. Die beiden greifen zunächst auf Klischees von Dominanz und Unterwerfung zurück: in die Ecke stellen, hinknien, ausziehen, "du musst alles machen was ich sage". Es ist ein unbeholfenes Spiel zwischen zwei Fremden, die versuchen, sich in einer Machtdynamik zurechtzufinden, die sie selbst noch nicht ganz verstehen. Das macht Babygirl so realistisch – die erste Annäherung an BDSM ist selten elegant oder perfekt, sondern oft voller Awkwardness. Aber, Dranbleiben lohnt sich, auch für Romy und Samuel...


  • Umso eindrücklicher zeigt der Film dann nämlich die Schönheit und Intimität, die entsteht, als sich beim Spielen ein natürlicher Flow entwickelt. Pet Play und zärtliche Momente statt klischeehafter Dominanz helfen den beiden, sich in ihre Rollen fallen zu lassen. Dem Film gelingt es an vielen Stellen, die Intensität kleiner Momente in einer D/S Beziehung einzufangen: ein sanftes Streicheln über den Kopf genau im richtigen Moment, ein im Vorbeigehen geflüstertes "good girl", das Hinauszögern eines Kusses um ein paar Sekunden.


Was mir nicht gefallen hat


  • Der Film tut so, als ob BDSM für Romy und ihren Mann Jacob ein völlig unbekanntes, fast schockierendes Konzept sei – was einfach nicht glaubwürdig ist, wenn man sich ihre Hintergründe und ihren Wohnort anschaut. New York City ist nicht irgendeine Kleinstadt, in der BDSM als obskures Randphänomen gilt. Romy ist gebildet und beruflich auf hohem Niveau unterwegs, bewegt sich vermutlich in Kreisen, in denen alternative Lebensstile, Sexualitäten und Machtstrukturen diskutiert werden. Dass sie auf das Konzept von Dominanz und Unterwerfung so unbeholfen reagiert, als hätte sie noch nie davon gehört, wirkt ziemlich konstruiert. Noch absurder ist es bei Jacob, der erfolgreicher Theaterregisseur in der New Yorker Kulturszene ist. Dass er BDSM für eine "männliche Fantasie" hält und die sexuellen Vorlieben seiner Frau als krank abtut, wirkt unglaubwürdig. Der Film tut so, als wäre BDSM ein dunkles Geheimnis oder ein skandalöses Tabuthema, als würde es nur in zwielichtigen Kreisen oder geheimen Clubs existieren. In einer Welt, in der Fifty Shades of Grey ein globaler Bestseller war, Podcasts, Artikel und akademische Diskussionen über Kink völlig normal sind, ist das einfach nicht realistisch.

    Stattdessen hätte Babygirl einen viel interessanteren Konflikt aufbauen können: Was wäre, wenn Romy und Samuel sehr wohl über BDSM Bescheid wüssten, aber trotzdem Probleme hätten, ihre eigenen Grenzen und Wünsche darin zu finden? Oder wenn sie dachten, sie wüssten, was sie tun, nur um dann festzustellen, dass sie sich emotional völlig überfordert fühlen? Das wäre viel glaubwürdiger gewesen als dieses „Oh my god what's happening to me" - Narrativ.


  • Der Film baut Romys innere Zerrissenheit als extrem intensiv auf – 20 Jahre unerfüllter Sex in ihrer Ehe, seit ihrer Kindheit unterdrückte Fantasien, die sie als „dunkel“ und „schmutzig“ empfindet. Doch was Babygirl dann zeigt, ist fast schon enttäuschend zahm: ein bisschen softes Humiliation Play, ein bisschen Pet Play, das war’s. Amorelie Adventskalender Vibes statt harter Grenzerfahrung. Wenn Babygirl konsequent gewesen wäre, hätten wir mindestens eine Szene sehen müssen, in der Romy sich wirklich an die Grenzen von dem wagt, was gesellschaftlich als "normaler Sex" angesehen wird. Ich hätte Romy zum Beispiel gern bei einem Gangbang gesehen, vollkostümiert beim Pony Play oder als kleines Mädchen in einer intensiven Age Play Szene. Nicht als Schockeffekt, sondern weil es zu ihrer psychologischen Reise gepasst hätte. Sie beschreibt ihre Wünsche als etwas verdorbenes, dunkles, das sie jahrelang weggesperrt hat. Wenn es dann endlich rausbricht, hätte es doch auch richtig rausbrechen können. Stattdessen bleibt die Darstellung von BDSM gerade so provokativ, dass es ein kleines bisschen edgy wirkt, aber ohne die Vanilla ZuschauerIn allzu sehr herauszufordern.


  • Romy ist eine reiche Frau in New York City, einer Stadt, in der es eine riesige, gut vernetzte BDSM Community gibt, inklusive hochqualifizierter professioneller Doms. Wenn sie sich nach echter Dominanz und Kontrolle sehnt, warum sucht sie sich dann ausgerechnet einen blutigen Anfänger wie Samuel aus? Sie könnte sich problemlos einen erfahrenen Dominus buchen, anstatt sich auf gefährliche, manipulative Dynamiken und das Risiko von Sex am Arbeitsplatz einzulassen. Der Film hätte diesen Widerspruch nutzen können, tut es aber nicht. Warum wählt Romy trotz der offensichtlichen Alternativen das Unsichere, Chaotische, Riskante? Braucht sie die Gefahr? Das hätte mich interessiert.


Insgesamt kann ich Babygirl empfehlen. Der Film lohnt sich allein für seine kleinen, starken Beziehungsmomente. Wer sich jedoch eine tiefgründige, radikale Auseinandersetzung mit Power Exchange Dynamiken erhofft, wird enttäuscht sein. Babygirl ist unterhaltsam und durchaus packend, aber nicht konsequent genug, um wirklich neue Ideen für die Kink Community beizusteuern.

 
 
 

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